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Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 13:12
von OXY
Liebe MG Freunde,
Auf die erste grössere Spritztour in diesem Jahr nehme ich gleich mal was zum Grübeln mit.
Was haltet ihr denn davon?
http://www.oldtimer-markt.de/aktuell/na ... -von-turin
Gute Fahrt
Stephan
Re: Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 13:31
von brasil
Hallo Stefan...
warum grübelst Du ? Diese Charta ist doch für "uns" perfekt.... Die US Car Szene... ja die wird Probleme bekommen, da 85% der US "Oldies " umgefrickelt werden... aber ein chicer MG ?? No Problems....
Grüße aus D´dorf
Jürgen
P.S ich werde jetzt mal eine Runde ins Bergische Land fahren... grins
Re: Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 19:53
von Josef Eckert
Ich darf da nichts gegen haben, da ich selbst im Rahmen der Federation of British Historic Vehicle Clubs (FBHVC) daran mitgearbeitet habe.
Gruß
Josef
Re: Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 20:52
von OXY
Super Josef,
finde ich toll dass du dich outest.
Es wäre schön wenn du ein paar Insights zu den Grundüberlegungen und Diskussionsrichtungen hättest.
Was man darüber in der Fachpresse liest ist nämlich eine ganz dünne Suppe.
Ich persönlich übrigens finde das Ergebnis erstmal sehr positiv, es setzt einen neuen Status für uns Oldie-Besitzer.
Bei restriktiver Interpretation allerdings kann gerade für viele restaurierte Klassiker das "H" zur echten Hürde werden.
Wie siehst du das?
Grüße
Stephan
Re: Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 21:18
von Josef Eckert
Hallo Stephan,
In UK sind die markengebundenen Classic Car Clubs viel enger eingebunden in die Diskussion, als hier in Deutschland. Man trifft sich regelmäßig (mindestens 2-monatlich) mit dem FBHVC. Wir bekommen dann die Entwürfe und Kommentar-Entwürfe zur Einsicht und können wiederum unsere Anregungen und Kommentare mitgeben. Ich werde im Austin-Healey Club gefragt, da ich dort die Originalitätsfraktion vertrete. In UK ist man halt viel mehr Club-orientiert als hier in Deutschland, wo die meisten lieber der "Club-Maierei" aus dem Wege geht. In UK will man Mitglied in seinem Markenclub sein.
Deine Frage:
"Bei restriktiver Interpretation allerdings kann gerade für viele restaurierte Klassiker das "H" zur echten Hürde werden."
Das H-Kennzeichen ist ein rein deutsches "Ei" und ist international wenig interessant. Was die Deutsche Zulassung mit der Charta macht ist dann wieder eine nationale Sache und da ist dann die nötige Lobbyarbeit notwendig. Nur sehe ich in Deutschland keine gegenüber der Legislative/Exekutive kräftige Oldtimer-Vertretung - zumindest nicht bei der Allgemeinheit der Oldtimerbesitzer.
Die Charta zielt eigentlich darauf ab, dass bei Oldtimerveranstaltungen nicht solche Fahrzeuge akzeptiert werden, die mit Oldtimer, außer dem weitläufigen Aussehen mit einem solchen, nichts mehr zu tun haben. Auch, dass in Zukunft noch solche Fahrzeuge existieren, die wenigstens mit der "Werksversion" noch etwas Ähnlichkeit haben und nicht alle von ihren Besitzern personifiziert sind. Sprich Eigenverantwortung der Besitzer mit einem "Kulturgut" ist gefragt. Ohne Denkmalschutz wären auch sehr viele historische Gebäude nicht mehr so erhalten wie sie heute noch sind. Meine Oldtimer sind alle restauriert und ich habe kein Problem mit der Charta oder dem "H-Kennzeichen", auch bei enger Auslegung.
Gruß
Josef
Re: Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 22:22
von Retlaw
Hallo Josef
Deinen Aussagen zur Originaltreue von Oldtimern kann ich mich gut anschliessen, nur .....
In diesem Forum hier bekomme ich (zu) oft den Eindruck, es geht der Mehrheit viel mehr um Leistungssteigerung und entsprechender Fahrwerksanpassung (und noch einiges in dieser Richtung).
Was mich ab und zu halt etwas irritiert
Walter
Re: Charta von Turin
Verfasst: 24. Mär 2013, 23:02
von OXY
Hallo zusammen,
Danke für deine Antwort, Josef: Meine "Sorge" zielt auch in die Richtung was denn der deutsche Behördenmichel mit der Charta anstellt (eben wegen der relativ schwachen Lobbyarbeit). Zum Beispiel instrumentalisieren in Richtung einer extrem rigiden Interpretation. Was nicht allein Umbauten wie in den USA üblich oder das von Walter erwähnte Motor- und Fahrwerktuning treffen kann, sondern auch nicht zeittypische Verbesserungen wie zum Beispiel neue Lacke, elektronische Zündungen etc. Bei enger Auslegung.
Oder mal ein anderes Beispiel:
Ein 3er BMW von 1975 – unverspoilert, ungetuned, auf Originalfelgen – hätte in entsprechendem Zustand keine Probleme.
Bereits Mitte der 80er jedoch waren die meisten in Letzthand eben so umgebaut - und zwar mit Zubehörteilen der 80er – und prägten in genau diesem Zustand das Strassenbild. Mithin sind sie "Zeugen der Transportgeschichte und Kultur" (Artikel 2), aber eben nicht der Mittsiebziger, sondern der Mittachziger Jahre.
40Jahre alt, vor 30 Jahren umgebaut, heute nicht mehr besonders geschätzt. Aber "Originale" ...
Erhaltungswürdig oder nicht? Kulturelles Erbe oder nicht? H-Kennzeichen oder nicht?
Beim Vergleich mit dem Denkmalschutz übrigens wäre ich zurückhaltend, denn gerade hier sind meist die "inneren Werte" ausgenommen, was zu klassischen Fassaden bei freier und oft modernster Innengestaltung führt. Also genau der Art von Fassadenschwindel wie wir sie aus der US-Car-Szene kennen.
Ich finde es nicht so einfach - gerade wenn man aus der Intention der Charta heraus denkt.
Beste Grüße
Stephan
Re: Charta von Turin
Verfasst: 25. Mär 2013, 09:21
von Josef Eckert
Hallo Walter, hallo Stephan,
Ich mache mir wegen Originalität bei Fahrzeugen anderer nicht mehr viele Gedanken. Es hat keinen Wert, da es zu nichts führt. Jeder kann mit seinem Auto machen was er will. Wenn natürlich der deutsche Staat sagt, dass ein modifizierter Oldtimer kein H-Kennzeichen bekommt, dann ist das denke ich legitim. Jeder Oldtimerbesitzer der seinen Wagen in Deutschland zulassenb will kann dann selbst entscheiden, Modifikation=> Fahren ohne H-Kennzeichen, keine oder nur zugelassene Modifikation => Fahren mit H-Kennzeichen. Der deutsche Staat regelt im Sinne der Allgemeinheit. Das muss man akzeptieren oder versuchen einen anderen Staat wählen oder auswandern.
Hier bei uns in deutsc hland gibt es viele Dinge die sind gut und viele die sind schlecht. Ich lebe zeitweise in UK und habe festgestellt, dort ist es auch nicht besser nur anderst, also es gibt andere Prioritäten oder besser Eigenheiten, auf die die Menschen dort abfahren. In Deutschland hätten alle Hurra geschrien, wenn die TÜV-Abnahme für Fahrzeuge vor Baujahr 1961 abgeschaft worden wäre. Nicht so in UK! Da haben viele Eigentümer Bedenken, dass jetzt ihre Fahrzeuge nicht mehr verkehrssicher sind und gehen freiwillig zur jährlichen MOT (TÜV), auch weil sie Angst haben, dass die Versicherungen die Preise erhöhen. Das ist eine andere Denkweise. Die meisten Engländer lassen auch ihre Oldtimer äußerlich original (Lackfarbe, Innenausstattung, etc.) mal abgesehen vom englischen Volkssport Motortuning. Sie lieben Traditionen und denken überhaupt nicht daran irgendetwas zu verändern. Bei uns wird ein Oldtimeer gekauft und der Kaufvertrag ist noch nichtt trocken, da werden schon die ersten Gimmicks (unnötige Veränderungen) bestellt, um den Wagen von der Werksform auf die eigene Person zu personalisieren (so nenne ich das). Originale MGs oder Ausstin-Healeys sieht man hier in Deutschland doch extrem selten. In England ist aber wenigstens die Hälfte noch weitgehend so (Aussehen, nicht was man nicht sehen kann) wie sie auch das Werk verlassen haben. Wenn in England eetwas verändert wird, dann hauptsächlich aus Kostengründen. Man findet irgenwo ein Teil, das auch halbwegs passt und viel billiger als das Originalteil ist.
Gruß
Josef
Re: Charta von Turin
Verfasst: 25. Mär 2013, 10:51
von oport
Ich würde mich von der Diskussion um die Charta nicht verrückt machen lassen. Einerseits ist sie ein wichtiges Instrument, um den Oldtimer als Kulturgut auf der politischen Ebene auf denselben Level wie z.B. ein Baudenkmal zu heben. Das ist gerade im Hinblick auf den grassierenden (und grundsätzlich positiven) Umweltgedanken wichtig, damit nicht z.B. beim nächsten Regierungswechsel irgendwelche Fuzzies die paar Oldtimerkilometer im Jahr als Umweltsünde thematisieren können - es ist nämlich dann eine notwendige Massnahme zur Erhaltung des Kulturgutes, damit zu fahren
Den Inhalt der Charta sehe ich auch ziemlich kritisch in vielen Punkten - eine Kennzeichnung von Ersatzteilen oder Nachfertigungen von Bauteilen mag vielleicht an originalen Bugattis in Auflage von 10 Stück machbar sein. Bei Brot- und Butterautos halte ich das für ein relativ komisches Unterfangen. Und ein Auto bleibt ein Kulturgut, auch wenn es über die Jahre der Benutzung Veränderungen erfährt. Ein historisches Gebäude wurde über die Jahrhunderte auch zigmal umgebaut, deswegen stehe ich mit der "Zwangsoriginalität" etwas auf Kriegsfuss.
Und ja, die Tatsache das mehr GT40 oder 540K mit H-Kennzeichen rumfahren, als jemals gebaut wurden, ist auch zumindest etwas verdächtig...
Wir dürfen nicht vergessen, dass das H-Kennzeichen ein echtes Privileg ist, welches hart erkämpft wurde und immer wieder gegen neue Regierungen, Neid und sonstige Interessen verteidigt werden muss. Da kann die Charta durchaus unterstützend wirken.
Allerdings bin ich bekannterweise wesentlich entspannter als Josef, was Umbauten oder technische Verbesserungen angeht. Kulturtechnisch wertvoll sind sicher nicht alle Fahrzeuge mit H-Kennzeichen, die ich fahre. Aber sie machen alle einen Höllenspass

Re: Charta von Turin
Verfasst: 25. Mär 2013, 11:35
von Josef Eckert
oport hat geschrieben: Kulturtechnisch wertvoll sind sicher nicht alle Fahrzeuge mit H-Kennzeichen, die ich fahre. Aber sie machen alle einen Höllenspass

Hallo Olaf,
genau Dein letzter Satz ist im Zusammenhang mit kulturtechnisch wertvoll sehr gefährlich. Ein kulturhistorisch interessantes Objekt darf auch Freude bereiten, aber es steht nicht im Vordergrund. Sondern das Erhalten für die Zukunft ist das Entscheidende. Wenn etwas richtig Spass macht, dann will der Staat auch etwas von dem Spass mithaben, sprich eine Vergnügungssteuer. Man muss aber dem "Verordner" zeigen, dass es Aufwand bereitet ein kulturhistorisch interessantes Objekt zu erhalten und dass dafür auch Vergünstigungen/Subventionen sinnvoll sind. Sonst wird nicht erhalten sondern das getan was jeder am liebsten mit seinem Objekt tut, nämlich seinen persönlichen Wünschen angepasst.
Gruß
Josef
Re: Charta von Turin
Verfasst: 25. Mär 2013, 12:11
von oport
Hallo Josef,
grundsätzlich hast Du recht, man sollte da keine schlafenden Hunde wecken. Aber mal ehrlich (und das können sich auch unsere werten Regierungsvertreter ohne externe Gutachter leicht ausrechnen) warum besitzt, pflegt und fährt man einen Oldtimer?
- Weil man Spass an Technik und Autos hat
- Weil es einen gewissen Status bringt
- Weil es in manchen Bereichen kein schlechtes nicht-monetäres Wertaufbewahrungsmittel ist
- Weil man es als "Eintrittskarte" nutzt, um nette Leute zu treffen und interessante Orte zu sehen
- und mit Sicherheit noch aus vielen anderen Gründen...
Ich schätze aber die wenigsten der vielen zehntausend Oldiebesitzer werden sich im klassischen Sinne als Kuratoren eines Kulturgutes begreifen (mit den damit verbundenen Pflichten). Deshalb hat ja auch das H-Kennzeichen nicht den gleichen Anspruch wie die Charta, sondern spiegelt eher die deutsche Automobilverliebtheit wieder und unterstützt diese. Zumal die Oldieindustrie mittlerweile zu einem nicht unwichtigen Wirtschaftszweig geworden ist. Ich hoffe, das beide Welten coexistieren können. Wir sollten jedenfalls durch einen einigermassen vernünftigen Umgang mit den Autos und untereinander dazu beitragen....
Re: Charta von Turin
Verfasst: 25. Mär 2013, 12:45
von Josef Eckert
Olaf,
genauso sehe ich das auch.
Gruß
Josef