Hallo
na so ein Zufall, dass ich in der Branche arbeite
Ich schreibe es mal in einfacher Form, ohne zu technisch zu werden.
Um eine ordentliche Schraubenverbindung zu erzielen sollte erst mal folgendes beachtet werden:
- Grundsätzlich sollten Gewinde und die Auflagefläche des Schraubenkopf frei von Schmutz und Ablagerungen sein (kann man mit der Drahtbürste säubern).
- Gewinde sollten NICHT gefettet werden, maximal leicht geölt und mit einem Lappen noch mal abgewischt. Ebenso die Kopfauflage. Am Besten, Öl ganz weglassen.
Wenn Du dies beachtest, dann stimme ich Darius zu, dass man es im Gefühl haben kann. Sollte jegliche Art von Schmierung der Reibpartner vorhanden sein, dann...ach Mist, ich muss doch technischer werden...sorry...dann sinkt der Reibwert im Gewinde und an der Kopfauflage (ich erkläre es gleich).
Mit einem Werkzeug, z.B. Ratsche, bringst Du ein bestimmtes Drehmoment auf den Schraubenkopf und das Gewinde (Rotation). Bedingt durch die Steigung des Gewindes, wird aus der Drehbewegung eine lineare Bewegung, die wiederum eine Verspannen der Bauteile bewirkt. Es wird nun ein Kraft aufgebaut, die sog. Vorspannkraft.
Diese ist Abhängig von der Festigkeitsklasse, je höher, desto höher das Drehmoment das die Verbindung ertragen kann. So, jetzt nicht die höchste Festigkeitsklasse nehmen und so fest ballern wie es geht. Das ist nicht der Sinn der Sache. Die Bauteile dazwischen könnten deformiert werden.
Ein System aus Schraube und Mutter wirkt wie eine Feder. Das Material (Stahl z.B.) hat einen elastischen und einen plastischen Bereich. Beispiel Gummi: Gummi kannst Du ewig ziehen, lässt Du es los, geht es in den Ursprungszustand zurück. Es hat sich nur elastisch Verformt. Irgendwann reißt es, ohne bleibende Verformung. Gummi ist also 100% elastisch. Stahl nicht. Stahl hat einen elastischen Bereich und einen plastischen. Ziehst Du die Schraube an, wird sie sich zuerst elastisch Verformen, sie längt sich, geht aber bei Entlastung wieder in ihre ursprüngliche Länge zurück. Das erzeugt eine Federwirkung, die dafür sorgt, dass sich das System nicht selbsttätig löst. Ziehst Du zu fest an, verformt sie sich zusätzlich plastisch, heißt dass sie nach dem Lösen länger ist als vorher. Das erzeugt eine Vorschädigung im Material, die nicht gewünscht ist. Also es gibt Fälle wo "überelastich" angezogen wird...lassen wir das.
Du musst beim Anziehen gut in den elastischen Bereich anziehen (nicht plastisch), dann hält die Verbindung was sie soll. Ziehst Du zu schwach an, kann sie sich gerade bei Vibration lösen. Gerade bei Radbolzen tödlich.
So, das zum Thema Vorspannkraft.
Faktoren, die das Drehmoment beeinflussen sind die Reibwerte. Du hast in einer Schraubenverbindung immer Reibung und zwar zw. Schrauben- und Mutterngewinde und Reibung an der Stelle, an der der Kopf aufliegt. Ist die Reibung ideal (im Reibwertfenster), dann kann man Anzugsmomente aus den Unterlagen nehmen und mit einem Drehmomentschlüssel aufbringen. Ist jetzt etwas Fett auf dem Gewinde sinkt der Gesamtreibwert drastisch ab. Jetzt passiert folgendes. Du ziehst eine Schraube an, deren Gewinde ideal wäre (sauber, fettfrei usw.) und bringst das vorgegebene Drehmoment auf. Dabei erzeugst Du jetzt eine Vorspannkraft, die die Schrauben-Mutter Verbindung so anzieht, dass Du voll im elastischen Bereich bist (nach Vorgabe). Jetzt fettest Du das Gewinde, weil Du denkst "viel hilft viel" und ziehst die Verbindung wieder mit dem gleichen Drehmoment an. Dummerweise wird jetzt durch die niedrige Reibung sehr wenig Drehmoment "verbraucht". Das heißt, dass Du deutlich mehr Vorspannkraft in die Verbindung bringst ohne das Du es merkst. Das kann ebenfalls tödlich sein, wenn Du jetzt in den plastischen Bereich kommst und die Schraube unwiederbringlich längst. Du ziehst also rein gefühlsmäßig mit exakt der gleichen Kraft an Deinem Schlüssel. Einmal ist die Verbindung gut und einmal reißt der Bolzen ab (Extremfall).
Ein Großteil des Drehmomentes wird durch die Reibung aufgebraucht. Das ist nicht weiter tragisch, da solche Faktoren ja berücksichtigt sind. Also bitte niemals die Radbolzen schmieren!
Schrauben mit Festigkeitsklassen ab 8.8 (das ist vernünftige Qualität und im Auto angebracht) haben IMMER einen Aufdruck auf dem Kopf. Also 8.8; 10.9; 12.9. Ist kein Aufdruck drauf ist es niedriger. Aber wie viel? Meistens 5.6 wir nennen das pressfest. Also keine besondere Wärmebehandlung. Diese Schrauben können stark streuen. Bitte Schrauben mit Festigkeitsklasse 8.8 nehmen oder wenn man es noch an den alten Schrauben erkennen kann eben 10.9. 12.9 hat am Fahrwerk nix zu suchen, nur im Motor (Pleuelschrauben, Zylinderkopfschrauben usw.).
Wenn Du nicht mit dem Drehmomentschlüssel dran kommst, tja
mit Gefühl eben. Das ist Übungssache. Da kann ich Dir keinen Tipp geben, das muss man fühlen. Wenn Du aber mal einige Schrauben mit Drehmomentschlüssel angezogen hast, bekommst Du ein Gefühl was 10 Nm sind (so gut wie nix) und was 150 Nm sind (da darf man schon mal stöhnen). Abhängig auch vom Hebelarm. Je länger, desto leichter lassen sich hohe Drehmomente aufbringen. Es ist, wie gesagt Übungssache.
Schraubensicherungselemente
Federringe, Zahnscheiben und der ganze Mist aus dem Baumarkt: Taugt bei Schrauben BIS 5.6 was, ab 8.8 ist das sinnlos und Geldverschwendung, da Du so viel Vorspannkraft aufbringst, dass diese Elemente platt gedrückt werden. Früher hat man das verwendet, weil man aber auch minderwertige Schrauben hatte! Heutzutage haben die Elemente am Automobil keine Berechtigung mehr. Es gibt professionelle mechanische Sicherungen (Unterkopfverzahnung z.B.) die sehr gut funktionieren, aber man kann sie nicht so ohne Weiteres als Privatman(n) kaufen. Korrekt anziehen genügt in den meisten Fällen (jetzt wird es zu viel, die Info muss genügen).
Nyloc Muttern sind wirklich gut (bei einmaliger Verwendung), aber sie ertragen keine hohen Temperaturen. Nichts für Auspuff und Motor! Zusammen setzt man sie nicht ein. Nein, doppelt gemoppelt ist einfach Käse um es mal vorsichtig auszudrücken. Federringe und Co habe ich oben schon erwähnt.
Auf verschieden Anzugsmethoden gehe ich jetzt nicht ein. Das sollte Dir erst mal genügen. Um schwankende Reibwerteinflüsse zu vermeiden zieht man mit Drehmoment und Drehwinkel an, das minimiert dieses Risiko. Aber das ist etwas für den Motorenbereich
Klar soweit
Gruß aus Neuwied
Stephan